10 Jahre ALPENFORUM - Österreich
17. Mai 2005
Hotel Brauhaus,  Murau, Österreich

Ian C. Meerkamp van Embden
Präsident ALPENFORUM International

Anstelle eines kleinen Rückblicks möchte ich viel lieber ein paar Gedanken aussprechen, die mich zur heutigen Situation in unserer schönen Bergwelt bewegen.

Wie hat sich unsere Alpenwelt , etwa am Beispiel Österreichs, entwickelt?
Nun, in früheren Jahren galt Österreich als liebenswertes Touristenland, ein Land der Lederhosen und Dirndl und schneebedeckten Gipfeln. Aber die wirtschaftliche Kraft dieses Landes nahm man nicht so ernst, blickte wohl eher ein wendig neidisch auf den großen Bruder jenseits der Landesgrenze.

Und heute?
Heute hat Österreich pro Kopf der Bevölkerung die Bundesrepublik Deutschland wirtschaftlich weit überholt.
Die österreichische Produktivität liegt höher, die Arbeitslosigkeit deutlich niedriger als in Deutschland, Österreich liegt wirtschaftlich an der Weltspitze.

Und wenn das so ist, dann drängt sich natürlich die Frage auf: Brauchen wir denn heute noch solche ehrenamtlich tätigen Organisationen wie das ALPENFORUM; oder hat sich dieses Engagement auf Grund der wirtschaftlichen Blüte von selbst erledigt? Nun, diese Frage beantwortet sich ganz von selbst. Denn die Probleme und Sorgen in den ländlichen Regionen sind unverändert geblieben, und sie sind unverändert aktuell..

Die Tendenz zur Verstädterung im Alpenraum und die damit verbundene Landflucht aus den weniger begünstigten Standorten nimmt weiterhin zu. Immer mehr Bewohner finden vor Ort keine angemessene Beschäftigung werden zu Pendlern oder wandern gänzlich aus.

Gerade die jungen Leute sehen in den abgelegeneren Bergregionen keine berufliche Perspektive. Die vielerorts bestehende Abhängigkeit vom Wintersporttourismus führt zu wachsenden Engpässen und steigenden Kosten im Infrastrukturbereich. Die bevorzugten Standorte liefern sich einen gnadenlosen Konkurrenzkampf, während vor allem in den weniger schneesicheren Lagen die Zahl der Wintersportgäste tendenziell immer häufiger eine rückläufige Tendenz aufweist. Viele Wintersportdörfer in den Alpen sind im Grunde nicht mehr überlebensfähig und hängen am Subventionstropf.

Der alpenüberquerende Transitverkehr ist eher noch größer geworden. Und zu allem Überfluss haben traditionelle Bereiche des Handwerks und Mittelstands in den ländlichen Regionen einen massiven Einbruch erlitten, allen voran die Holzwirtschaft.  

Wir im ALPENFORUM versuchen mit aller Kraft im Rahmen unserer Möglichkeiten, Lösungen zur Verbesserung dieser Situation beizutragen.  

Gegen diesen Hintergrund gesehen, möchte ich exemplarisch drei Bereiche des ALPENFORUMS nennen, die mir besonders wichtig erscheinen.

1. Die Holzverarbeitung

Der erste Bereich betrifft die nachhaltige Entwicklung unserer wichtigsten, nachwachsenden Ressource, dem Holz. Das ist ja nun ein Thema, mit dem sich eine ganze Reihe von Organisationen, wie z. B. pro Holz Steiermark, und natürlich ganz besonders der Bezirk Murau mit seiner Holzwelt, seiner Holzstraße und seinem Holzmuseum ja seit Jahren intensiv und in vielfältiger Weise beschäftigt.

Dennoch. Trotz dieser Anstrengungen liegt die Branche alpenweit am Boden.

Die holzverarbeitende Wirtschaft in Österreich trägt nur noch knapp 5% des Brutto-Inlandproduktes bei. Tausende von Betrieben mussten geschlossen werden. Und obwohl nur 60 % des Holzzuwachses unserer Wälder genutzt wird, wird Holz in großen Mengen aus dem Ausland importiert.

Zu den wichtigsten Ergebnissen der beiden vom ALPENFORUM durchgeführten Holzkonferenzen 2003 in Murau und 2004 in Bozen zählt die Feststellung, dass die klein- und mittelständisch strukturierte Holzwirtschaft in Österreich und anderen Alpenländern nur durch eine innovative Marketingstrategie und einer höheren Wertschöpfung auf der Grundlage sinnvoller Kooperationsverbunde überleben kann. Die Einzelbetriebe allein sind wirtschaftlich zu schwach, um den Herausforderungen eines kompetitiven, globalisierten Marktes ausreichend begegnen zu können .

Es hat nicht an guten Ideen in dieser Richtung gefehlt, wie etwa eine Vernetzung der Betriebe durch das Holz- Cluster.

Aber Vernetzung allein kann es nicht bringen. Erst mit Hilfe ganz konkreter Kosten- und Arbeitsteilung innerhalb eines Betriebsverbundes kann der Durchbruch erzielt werden.

Eine solche Zusammenarbeit umfasst

An der Nutzung solcher Möglichkeiten hapert es aus unserer Sicht ganz erheblich.

Welche Chancen ein solches Vorgehen ermöglicht, lässt sich an ganz konkreten Beispielen zeigen: Mehrere Unternehmer aus der holzverarbeitenden Branche, die an den Holzkonferenzen des ALPENFORUMS 2003 in Murau und zum Teil auch in Bozen 2004 teilgenommen hatten, haben dieses Konzept aufgegriffen und ein operatives Verbundsystem gegründet. Dieser Gruppe gehören inzwischen rund ein Dutzend mittelständische Firmen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz an.

Die Kooperationspartner operieren unter einer gemeinsamen Dachmarke und konzentrieren sich auf die Herstellung der Außenhülle für den Niedrigenergie- und Passivhausbau. Einen Schwerpunkt bildet hierbei die Fertigung neuartiger Holzfensterkonstruktionen. Der Initiator, ein innovativer Tiroler Holzfensterbauer, konnte seit Gründung des Kooperationsverbundes sein Ergebnis innerhalb von knapp 2 Jahren mehr als verdoppeln. Neue, expandierende Märkte konnten beispielsweise im südtiroler Raum erschlossen werden.

Ich denke, dass solche konkreten Kooperationsvorhaben zukunftsweisend für die Holzbranche sind und auch für unsere Region Modellcharakter haben können. Wie ich höre, hat unsere regionale Holzverarbeitung erste Versuche in dieser Richtung offenbar gestartet.

2. Die Biosphäre: Chancen einer Regionalentwicklung

Der zweite Bereich, den ich hervorheben möchte, betrifft einen in der Öffentlichkeit noch vergleichsweise wenig bekannten Weg einer vielversprechenden Regionalentwicklung.

Bereits Ende Mai 2002, also vor 3 Jahren, hatte ich anlässlich der Tourismuskonferenz des ALPENFORUMS in Murau angeregt, im Bezirk Murau eine Biosphärenregion einzurichten. Dies führte Anfang April 2004, wieder auf Einladung des ALPENFORUMS, zur Durchführung einer überregionalen Vortrags- und Gesprächsrunde in der Burg Finstergrün oberhalb von Ramingstein. Wir haben dort das Konzept der Gründung einer UNESCO-Biosphäre Lungau-Murau vertreten und hierüber zwei Tage lang mit Fachleuten aus der Region Lungau, aus Salzburg, aus Tirol, aus der hessischen Rhön und aus den Naturparkgebieten im Bezirk Murau und Murau selbst diskutiert.

Unter den Referenten war sowohl der Tiroler Landtagsabgeordnete Türtscher als Obmann des Biosphärenreservats Kleinwalsertal, als auch Heinrich Hess, seit 12 Jahren Leiter des Biosphärenreservats in der hessischen Rhön, beides profilierte und erfolgreiche Praktiker bei der Umsetzung des Biosphärenkonzepts.

Die Resonanz der Beteiligten in Ramingstein war ermutigend, ebenso das Presseecho.

Inzwischen ist in dieses Vorhaben Bewegung gekommen. Anfang März dieses Jahres fand im Lungau auf Einladung der Wirtschaftskammer Tamsweg eine Gesprächsrunde zum Thema Biosphäre Lungau mit Vertretern der Landwirtschaft, der Kammern, der Kommunen  und der Wirtschaft statt.

Auf Grund des positiven Gesprächsergebnisses soll nun die Gemeindeentwicklung Salzburg mit dem MAB- Sekretariat (das zuständige UNESCO-Gremium „Man And Biosphere“) in Wien Kontakt aufnehmen und einen Lokaltermin vor Ort im Lungau vereinbaren.

Vor ca. 4 Wochen fand zu meiner Freude auf Einladung des Ökosozialen Forums im Forum St. Lambrecht eine weitere Gesprächsrunde statt , an der auch mehrere der hier Anwesenden als teilgenommen haben. Das Thema lautete: „Naturpark Grebenzen: Vom Naturpark zum Biosphärenpark“.

Auch hier war das Votum der Teilnehmer positiv, allerdings ist bislang meines Wissens keine Projektgruppe mit der weiteren Ausarbeitung dieses Vorhabens beauftragt worden.

Sicher ist auf jeden Fall, dass eine praktische Umsetzung im Lungau und ebenso in Murau nur sinnvoll und möglich sein wird, wenn man die Bevölkerung für diese Idee gewinnt. Dies setzt Überzeugungsarbeit und intensive Einzelgespräche mit den verschiedenen Interessensgruppen, Kommunen, Vereinen, Verbänden und Ausschüssen  voraus.

Schon aus diesem Grund würde ich es für sinnvoll halten, wenn die Projektbefürworter im Lungau und im Bezirk Murau ihre Kräfte möglichst frühzeitig bündeln, um doppelte Kosten und doppelte Arbeit  zu vermeiden. Hinzu kommt, dass die UNESCO gegenwärtig viel eher bereit ist, der Anerkennung einer Region als Biosphäre zu zustimmen, wenn ein entsprechendes Projekt länderübergreifend konzipiert und beantragt wird.

Die größte Sorge der in der Region lebenden Bevölkerung ist, dass im Fall einer Ausweisung als Biosphäre die wirtschaftliche Entwicklung durch eine Ausweitung des Naturschutzes eingeschränkt werden könnte. Nichts wäre falscher als diese Annahme. Der Grundgedanke einer Biosphäre lebt ja gerade von der Vorstellung einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung einer Region.

Die exemplarische Umsetzung dieses Konzeptes beispielsweise im kleinen Walsertal in Österreich, in der Rhön in Deutschland oder im Entlebuch in der Schweiz beweist anschaulich den wirtschaftlichen Erfolg dieses Vorgehens.

Meine Frau und ich haben uns kürzlich durch einen persönlichen Besuch in der UNESCO Biosphäre Entlebuch im Emmental hiervon überzeugen können.

Im Emmental sind 800 stark diversifizierte Betriebe mit rund 8000 Arbeitsplätzen angesiedelt.

Zu führenden Branchen gehören die holzverarbeitende Wirtschaft, die Herstellung von Molkereiprodukten, (darunter der bekannte Emmentaler Käse!), Feinbäckerei-Erzeugnisse und ein individueller, nachhaltig umweltgerecht orientierter Tourismus. Auch die innovative Hightech- Produktion ist mit mehreren mittelständischen Familienbetrieben vertreten, darunter ein Unternehmen der Fertigungs- und Montageautomation, ein Hersteller von Infusions- und Injektionssysteme für die Medizin und Pharmazie, sowie Unternehmen für die Textilveredelung oder der Entwicklung  von Produkten für den anti- mikrobiellen Schutz.

In der Biosphäre Entlebuch werden inzwischen über 300 Produkte angeboten, deren Herstellung ausschließlich oder zumindest überwiegend auf regionale Ressourcen basiert.

3. Die Rolle des Internets

Den dritten Bereich, den ich als einen der wichtigsten Schwerpunkte des ALPENFORUMS erwähnen möchte, betrifft die Schlüsselfunktion des Internets auf dem Gebiet der modernen Kommunikation und Information:

1998 wurde mit dem Aufbau einer ALPENFORUM Website begonnen und diese wurde dann Anfang 2000 freigeschaltet. Innerhalb von 5 Jahren ist die Einschaltquote von 0 auf 220 000 pro Jahr gestiegen. Bei einem ermittelten Leseumfang von 5 Seiten pro Abruf entspricht dies einem Informationsabruf von jährlich mehr als 1 Million Seiten.

Unsere Überlegungen, Lösungsansätze und ganz konkreten Hinweise im Hinblick auf eine nachhaltigere Entwicklung werden im gesamten Alpenraum und weit darüber hinaus abgerufen.

Damit verfügen wir über ein ständig aktualisiertes, modernes Kommunikations- und Informationsmedium, dessen Multiplikatorwirkung inzwischen jede andere Art der öffentlichkeitswirksamen Darstellung deutlich übersteigt.

Ich danke unseren Mitgliedern für eine jahrelange, nachhaltige Verbundenheit mit dem ALPENFORUM: Für diese Verbundenheit spricht, dass wir seit Gründung zwar manchen Neuzugang, aber in 10 Jahren nur einen einzigen Austritt hatten.

Ich danke im Namen von ALPENFORUM Österreich der Stadtgemeinde Murau und sowohl dem früheren, als auch dem jetzt amtierenden Bürgermeister für deren verständnisvolle Kooperation.

Ich danke der steiermärkischen Landesregierung und dem österreichischen Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Wasser und Umwelt für mancherlei Förderung unserer Projekte

Ich danke ganz besonders unseren Fördernden Unternehmensmitgliedern im Bezirk Murau, allen voran die Schwarzenberg´sche Familienstiftung, die Brauerei Murau und die Erste Sparkasse Murau, für deren hervorragende Unterstützung unserer Arbeit.

Ich danke unserer prima Holzstraßenbrass and der Leitung und den Mitarbeitern des Hotel Brauhaus für deren Mithilfe.

Bleiben Sie uns verbunden!