ALPENFORUM INTERNATIONAL

Grusswort und Einführung
Ein Biosphärenpark als regionale Entwicklungsperspektive


Sondertagung des ALPENFORUM
29./30. April 2004
Schloss Finstergrün, Ramingstein

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Freunde des ALPENFORUM,

es erfüllt mich mit großer Freude, dass wir heute und morgen ein Thema behandeln, dem weltweit und ganz speziell im Alpenraum eine wachsende Bedeutung zukommt. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Entwicklung und Ausweisung von Biosphärenregionen als zukunftsorientierte, regional und überregional überzeugende Perspektive zu behandeln, diese Perspektive aber auch durchaus kritisch zu hinterfragen.

Bereits anlässlich einer Konferenz des ALPENFORUM Ende Mai 2002 in Murau zur Entwicklung eines nachhaltigen Sommertourismus habe ich seinerzeit die Gelegenheit genutzt, in meiner Einführung die Rolle von Biosphärenparks zur Entwicklung eines Profils touristischer Nachhaltigkeit zu unterstreichen.
Damals habe ich in dieser öffentlichen Konferenz gesagt, und ich zitiere dies jetzt wörtlich:
"Ich könnte mir einen Biosphärenpark Oberes Murtal durchaus vorstellen, zumal hierfür geradezu ideale Voraussetzungen bestehen".

Anlässlich der Aussprache in unserer Jahresmitgliederversammlung im Juni des darauffolgenden Jahres griff unser ALPENFORUM - Mitglied Dr. Emil Hocevar diese Thematik erneut auf. Nach ausführlicher Diskussion beschloss die Mitgliederversammlung einstimmig, die Idee der Schaffung eines Biosphärenparks in unserer hiesigen Region zu thematisieren.

Es ist dem Engagement von Emil Hocevar zu verdanken, dass der seinerzeitige Beschluss konsequent umgesetzt wurde und wir heute diese Sondertagung durchführen.

Wie den meisten unter Ihnen bekannt sein wird, fühlt sich das ALPENFORUM EINER nachhaltigen Entwicklung des Alpenraums und anderer Bergregionen verpflichtet. Die Bedürfnisse der heute lebenden Bevölkerung sollen erfüllt werden, ohne hierbei die Chancen unserer kommendend Generationen zu verbauen. Das heißt für uns im Klartext, dass wir eine umweltgerechte Entwicklung und den Schutz unserer Natur respektieren, uns aber ebenso für die wirtschaftlichen und kulturellen Lebensbedingungen der heimischen Bevölkerung einsetzen.
Kaum eine andere Form der landschaftlichen Nutzung kommt diesen Leitvorstellungen näher als der Begriff der Biosphärenregion.

Manche in unserem Land kennen diese Wortschöpfung noch nicht, oder verbinden damit unklare Vorstellungen.

1974, also vor 30 Jahren, rief eine Sonderarbeitsgruppe der UNESCO das weltumspannende Forschungsprogramm "Man and the Biosphere" ins Leben und schuf damit gleichzeitig den Begriff der Biosphere Reserves als einer neuen Form von Großschutzgebieten.

Das Weltnetz der Biosphärenreservate wurde 2 Jahre später gegründet und umfasst heute bereits 425 Regionen in annähernd 90 Staaten der Welt, davon je etwa zur Hälfte in Industrieländern, die andere Hälfte in Entwicklungsländern. Jedes Jahr kommen bis zu 10 solcher Regionen neu dazu.
Über erfolgreiche Projekte dieser Art werden uns die Leiter der Biosphärenreservate in der hessischen Rhön, des schweizerischen Entlebuch und des großen Walsertals in Österreich berichten.

Um eine von der UNESCO anerkannte Biosphärenregion zu werden, müssen bestimmte Kriterien erfüllt werden.

Drei entscheidende Anforderungen werden an eine Biosphärenregion gestellt:

  1. Eine Schutzfunktion, nämlich den Schutz einer bestimmten Landschaft und ihrer Ökosysteme, sowie deren genetische Vielfalt an Tier - und Pflanzenarten.
  2. Eine Entwicklungsfunktion, nämlich der Förderung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung der Region, sowie
  3. Eine Forschungsfunktion, d. h. die Erarbeitung und den Austausch wissenschaftlicher Umweltdaten im weltweiten Netz der Biosphärenreservate, verbunden mit der Aus- und Fortbildung auf dem Gebiet der Umwelt.

Über die Frage der Anerkennung eines Gebietes als Biosphärenreservat entscheidet die UNESCO. Die Messlatte wird dabei hoch gesteckt: Die Anerkennung sichert einen erheblichen Imagezuwachs für die Region und ist weltweit heiß begehrt.

Eine große Bedeutung kommt in Biosphärenregionen dem Menschen selbst zu. Beispiele für eine wirtschaftliche oder soziokulturelle Entwicklung solcher Regionen sind der naturnahe Tourismus, die Verarbeitung und Vermarktung regionaler landwirtschaftlicher Spezialitäten und einer entsprechenden Gastronomie, ein hochentwickeltes Handwerk, ein innovativer, marktnischenorientierter Mittelstand, die Verarbeitung und Veredelung heimischer Ressourcen, z. B. von Holz, eine landschaftsgerechte Bauarchitektur, die Pflege kultureller Traditionen, künstlerische, sportliche, aber auch wissenschaftliche Aktivitäten.
Fast alle diese wichtigen finden sich hier bereits verankert, denn unsere Siedlungsgebiete sind durch den Einsatz nachhaltiger Wirtschaftsformen traditionell bereits stark geprägt.

Biosphärenreservate sind, wie bereits erwähnt, Knotenpunkte einer weltweit vernetzten wissenschaftlichen Forschung und Kommunikation auf dem Umweltgebiet. Das Weltnetz der Biosphärenreservate verfügt beispielsweise über umfangreiche Zeitmessungen von Klimadaten oder Daten zur Tier- und Pflanzenwelt und unterstützt damit u. a. die weltweite Klimaforschung. Dieser Aspekt der Funktionen einer Biosphärenregion müsste entsprechend ausgebaut und gefördert werden.

Die internationale Zusammenarbeit auf diesen Gebieten ist eindrucksvoll und erfolgreich. Ich kann mir im Einzugsgebiet Lungau-Murau-Nockberge viele interessante Ansatzpunkte gerade auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Zusammenarbeit vorstellen, beispielsweise in der innovativen Nutzung von Holz als nachwachsender Rohstoff.

Eine Reihe heutiger Biosphärenreservate sind Gebiete innerhalb der Europäischen Union und werden entsprechend gefördert, ein Umstand, der sicherlich bei der zukünftigen Entscheidungsfindung eine Rolle spielt.

Solche Initiativen haben allerdings nur eine Chance auf Erfolg, wenn die Bevölkerung von der Richtigkeit eines derartigen Vorhabens überzeugt ist. Deshalb ist eine offene Aussprache wichtig, und deshalb sind auch erfolgreiche Vorbilder wichtig.
Wir werden aus den Erfahrung verschiedener Persönlichkeiten in dieser Tagung lernen können.

Ein sorgfältig geprüftes und von der Bevölkerung mehrheitlich getragenes Projekt dieser Art wäre ohne Zweifel ein wichtiges Vorhaben für eine nachhaltige Zukunftsentwicklung der Region. Die Verwirklichung einer solchen Zielsetzung erfordert allerdings ein überdurchschnittliches Engagement aller Beteiligten.
Ein Biosphärenpark ist nicht einfach eine automatische Garantie für die erfolgreiche Entwicklung. Vielmehr gehört dazu, dass man die Rahmenbedingungen optimal nutzt und mit einer Kombination aus vernünftiger Marktstrategie, Imagepflege, regional ansprechendem Leitbild sowie einer aktiven Kommunikations- und Informationspolitik konkret untermauert.

Besonders erfreulich erscheint mir in diesem Zusammenhang, das bereits in diesem Vorfeld unserer Überlegungen eine Reihe namhafter Institutionen unserer hiesigen Region, darunter die Ferienregion Lungau, die steirische Holzstraße, die Bürgermeister mehrerer Gemeinden, die Urlaubsregion Murau und auch die Bioregion Murau Ihr Interesse an und Ihrer Zustimmung zu einem solchen Projektvorhaben signalisiert haben.

Ich fordere Sie deshalb ausdrücklich und herzlich auf, die Initiative zur Gründung einer Biosphärenregion Lungau- Murau- Nockberge einer vorurteilsfreien und sachlich fundierten Prüfung zu unterziehen.

Wir werden morgen Nachmittag im Rahmen einer Pressekonferenz die Gelegenheit nutzen, Medienvertretern unsere Konzeption zu erläutern und um pressebegleitende Unterstützung unserer Vorstellungen zu bitten.

Das ALPENFORUM und die Organisatoren dieser Sondertagung würde es als großen Erfolg werten, wenn wir im Rahmen der kommenden, gemeinsamen Gespräche den hier vorgetragenen, konzeptionellen Ansatz mit konkretem Leben erfüllen könnten.

Ich wünsche Ihnen in diesem Sinn einen erfolgreichen, aktiven und zukunftsorientierten Verlauf dieser zweitägigen Veranstaltung!

Herzlichen Dank!

Dr. Dipl.-lng. lan C. Meerkamp van Embden
Präsident ALPENFORUM International