Pressestelle ALPENFORUM

Tagungsbericht
Eine Biosphärenregion Lungau-Murau?

Auf Einladung des ALPENFORUM International fand am 29./30. April 2004 in der Ramingsteiner Burg Finstergrün eine von Prof. Dr. Emil Hocevar organisierte Sondertagung zum Thema "Ein Biosphärenreservat als regionale Entwicklungsperspektive" statt. Hierbei ging es darum, die Vision der Gründung einer Biosphärenregion Lungau-Murau an Hand konkreter Erfahrungen beim erfolgreichen Management solcher von der UNESCO anerkannter Gebiete zu erörtern. Die Eröffnung der Tagung übernahm der Präsident von ALPENFORUM Österreich Gerhard Leeb.

Die von der ORF-Journalistin Mag. Zauner moderierte und hochrangig mit Referenten aus der Steiermark, Salzburg, Vorarlberg und Deutschland besetzte Veranstaltung behandelte auf fachlich anspruchsvollem Niveau eine Fülle von thematisch relevanten Aspekten. Als Gäste nahmen an der Tagung u.a. der Bezirkshauptmann von Murau, Dr. Thierichter, mehrere Bürgermeister der Region, der Landessanitätsrat Dr. König, der Raumordnungsexperte Dipl.-lng. Haider als V ertreter der Salzburger Landesregierung, sowie als Repräsentant regional ansässiger Wirtschaftsunternehmen der Murauer Brotfabrikant Hager teil.

Sehr schnell wurde deutlich, dass eine Biosphärenregion Lungau-Murau übereinstimmend als Chance zur wirtschaftlichen Regionalentwicklung verstanden und bewertet wurde. Der Präsident von ALPENFORUM International, Dr. Dipl.-lng. lan C. Meerkamp van Embden, betonte, dass die Voraussetzungen für die Gründung eines Biosphärenparks Lungau-Murau als ausgesprochen günstig einzustufen seien, da die Region bereits heute von einer nachhaltigen Wirtschaftsweise stark geprägt sei. Unterstützt wurde diese Einschätzung u.a. vom Ramingsteiner Bgm. Franz Winkler und dessen Amtsvorgänger Alt-Bgm. Johann Bogensberger, ebenso von Obmann Johann Kölbl sowie dessen Geschäftsführer Mag. Markus Ressel, als Vertreter des Naturpark Grebenzen, sowie auch von Direktor Moser vom Naturpark Riedingtal.

Heinrich Hess, Leiter des Biosphärenreservats Rhön/Hessen und der Vorarlberger LAbg. Josef Türtscher, Regio-Obmann Biosphärenpark Großes Walsertal, berichteten in ebenso lebendigen wie überzeugenden lmpulsreferaten über die in ihrer RegIon gewonnenen Erfahrungen. Beide zogen eine eindeutig positive Bilanz, betonten aber gleichzeitig auch die Notwendigkeit, dass Entscheidungen hinsichtlich der Gründung einer Biosphärenregion von der heimischen Bevölkerung ausgehen und mitgetragen werden müssen.

Mag. Jochen Ruprechter vom EU-Regionalmanagement Obersteiermark West berichtete über strukturelle und fördertechnische Aspekte bei der Entwicklung eines Biosphärenparks als wirtschaftlich erfolgreiches Vorzeigeprogramm, Harald Kraxner von der Ile Projektberatung Oberes Murtal veranschaulichte an Hand praxisnaher Beispiele die bisherige Entwicklung der Bioregion Murau.

Auch er bewertete eine Erweiterung dieser Aktivitäten im Rahmen einer Biosphärenregion als logischen und praktisch umsetzbaren Schritt für den Bezirk Murau. Die für die Entwicklung einer Biosphärenregion wichtige Voraussetzung einer nachhaltig orientierten Mobilität wurde von Dr. Emil Hocevar und Dipl.-lng. Kargl an Hand des Tälerbus-Projektes veranschaulicht.

Abgerundet wurde dieses breite Spektrum unterschidelicher Aspekte durch die Beiträge von Dr. Konrad Meindl und Mag. Ernst Autischer zu den Perspektiven grenzüberschreitender Wirtschaftsaktivitäten.

Die Diskussion verdeutlichte eine Reihe von Voraussetzungen, die für den Erfolg eines solchen Vorhabens Berücksichtigung finden muss. Hierzu gehören aus wirtschaftlicher Sicht die Stärkung eines nachhaltigen Tourismus, die Rolle des Landwirts, der sich weiterhin als Produzent hochwertiger Erzeugnisse und gleichzeitig als Landschaftspfleger verstehen will, die wichtige Rolle des Handwerks und eines innovativen Mittelstands, die Veredelung nachwachsender heimischer Rohstoffe und deren innovative Nutzung wie z.B. beim Holz, eine sinnvolle und möglichst autarke Energiepolitik, eine Förderung von Bildung, Kultur und Tradition und eine aktive Kommunikations- und Informationspolitik.

Weitere Aspekte bildeten die Notwendigkeit der regionalen Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse unter Bildung kurzer und weitgehend geschlossener Wirtschaftskreisläufe, eine hochwertige Gastronomie und die Aktivierung einer marktnischenorientierten Strategie mittelständischer Wirtschaftbetriebe in der Region. Unter den generellen Gesichtpunkten einer nachhaltigen Entwicklung wurde mehrfach auch eine verstärkte Einbeziehung der Frauen in die Entscheidungsfindung betont.

In weiteren Diskussionsbeiträgen wurde als prioritäre soziale und wirtschaftliche Zielvorgabe vor allem die Notwendigkeit unterstrichen, den Trend zur Abwanderung aus der Region zu stoppen und den jungen Menschen eine interessante Arbeits- und Entwicklungsperspektive vor Ort zu bieten.

Unter ökologischen Gesichtpunkten wurde als - völlig unstrittige - Aufgabe einer Biosphärenregion Lungau-Murau die konsequente Pflege und Erhaltung des wertvollen Naturkapitals unserer Bergwelt gesehen, und zwar selbstverständlich nicht nur in den ausgewiesenen, geschützten Kernzonen.

Einige wichtige Gesichtpunkte konnten in der Diskussion nicht angesprochen werden. Hierzu gehörte insbesondere die Erkenntnis, dass zu den Aufgaben des Managements einer Biosphärenregion auch die Umweltforschung auf regionalspezifischen Gebieten gehört. Die Ergebnisse solcher Arbeiten fließen in das international koordinierte Forschungs-Netzwerk der Biosphärenregionen ein. Auch die für eine regionale Raumplanung heikle Frage der Zersiedelungstendenz und der leider keineswegs seltenen Problematik einer standort- und landschaftsgerechten Bauarchitektur bedürfen zukünftig einer vertiefenden Erörterung.

Als wichtigste Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung des Konzepts Biosphärenregion Lungau-Murau wurde übereinstimmend die Entwicklung einer entsprechenden Marketingstrategie im Rahmen eines gemeinsamen Leitbildes und eine aktive, bereichsübergreifende Kommunikations- und Informationspolitik genannt.

Natürlich müsse die Frage einer ausreichenden Projektfinanzierung und die mögliche Förderung auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene in die Überlegungen einbezogen werden. Die Teilnehmer der Veranstaltung waren sich aber einig, dass an erster Stelle der erklärte Wille der Bevölkerung den eigentlichen Schlüssel zum Erfolg bilde. Damit kommt der Einbeziehung der ansässigen Bevölkerung und der kommunalen Entscheidungsträger und Institutionen bei diesem Projektvorhaben oberste Priorität zu.

Als zusammenfassendes Gesamtergebnis dieser Tagung kann folgendes gesagt werden: Die Chancen der Verwirklichung einer Biosphärenregion Lungau- Murau wurden übereinstimmend positiv bewertet. Deutlich wurde aber auch, dass eine erfolgreiche Umsetzung nur mit Hilfe eines integrierten und mit ausreichendem Mandat versehenen Projektmanagements möglich sein wird.

Ein solches Projektmanagement kann auf der Grundlage gemeinsamer Absprachen von einer einzigen oder auch von mehreren Gemeinden als Koordinator und Verhandlungspartner wahrgenommen werden. Diese Arbeit beansprucht bis zur Anerkennung durch die UNESCO u.U. mehrere Jahre. Das erzielte Ergebnis kann dabei keinesfalls als statisch angesehen werden. Viel mehr unterliegen Biosphärenregionen und deren Entwicklung einem ständigen, dynamischen Wandel. Selbstverständlich ist die Anerkennung einer Biosphärenregion durch die UNESCO nur möglich, solange deren vorgegebenen Rahmenkriterien auch eingehalten werden. Aber innerhalb dieser Grenzen sind die Gestaltungsmöglichkeiten von Region zu Region durchaus unterschiedlich zu sehen und unterliegen den von der Bevölkerung selbst erwünschten Zielvorstellungen.

St. Georgen ob Murau, 01. Mai 2004
Dr. Dipl.-lng. lan C. Meerkamp van Embden