Alpenraum im Klimawandel
Helga Kromp-Kolb, Institut für Meteorologie und Physik, BOKU, Wien


Helga Kromp-Kolb

studierte Meteorologie und Geophysik an der Universität Wien. Sie bekleidete jahrelang Führungspositionen im management des Österreichischen Meteorologischen Dienstes Neben ihrer Professur in Wien war sie zeitweise auch als Gastprofessorin in den USA tätig. Heute arbeitet Frau Prof. Kromp-Kolb in zahlreichen nationalen und internationalen Gremien auf dem Gebiet der Klima- und Umweltforschung. Sie ist außerdem in mehreren Beratergremien u. a. in der Österreichischen Akademie, im österreichischen Verteidigungsministerium und im Umweltministerium tätig.

Nachstehende Ausführungen sind eine Kurzfassung des Referates, welches Frau Prof. Kromp-Kolb auf Einladung des ALPENFORUM am 25. Mai 2001 in Murau (Österreich) hielt.


In den letzten Jahren ist immer deutlicher geworden, dass eine Änderung des Klimas stattfindet: Das zeigen die meteorologischen Messungen, das ist aber auch an einer Vielzahl von Folgewirkungen zu erkennen:

Besonders einprägsam sind die Änderungen bei der Temperatur, die im letzten Jahrhundert im globalen Mittel um etwa 0,6°C gestiegen ist, wobei dieser Anstieg der rascheste der letzten 1000 Jahre ist, und die erreichten Temperaturen die höchsten in diesem Zeitraum sind. In Europa stieg die Temperatur im selben Zeitraum um etwa 0,8°C, in Österreich um 1,8°C, wobei alle Höhenlagen betroffen sind. Aber auch die Niederschlagssummen haben sich verändert - es wird eine Zunahme der Niederschläge in den mittleren und hohen Breiten der Nordhemisphäre festgestellt wobei dies mit häufigerem Auftreten von Starkniederschlägen einhergeht. Im Alpinen Raum trifft dies vor allem für den westlichen Teil zu - in der West- und Nordschweiz wurden z.B. bis zu 40% Niederschlagszunahme m Winter analysiert. Im südalpinen Raum und im Osten Österreichs ist hingegen eher ein Rückgang der Niederschlagsmengen festzustellen.

Der Einfluß der Veränderungen der klimatischen Bedingungen auf unbelebte und belebte Natur ist leicht zu beobachten: Die winterliche Packeisgrenze im nördlichen Polarmeer geht zurück, die meisten Gletscher weisen starke Rückgänge auf. Die Untergrenze des Permafrostbereiches (d.h. ständig gefrorener Böden, die im Sommer nur oberflächlich auftauen) ist in den letzten 100 Jahren in der Schweiz um ca. 150 bis 250 m gestiegen. Am Corvatsch, in der Schweiz, ist die Bodentemperatur in 1 1 m Tiefe seit 1987 jährlich um ca. 0,1°C angestiegen und die Temperaturzunahme ist bis in 80 m Tiefe erkennbar. Skilifte oder Lawinenverbauungen, die in diesen Böden verankert sind, verlieren an Stabilität.

Wo sich die Gletscher zurückziehen und der Permafrost schmilzt, wächst die Gefahr von Murenabgängen, da es sich meist um heterogen aus Blöcken, Sanden und Kies zusammengesetzte Böden, Moränenablagerungen oder Hangschutt handelt. Es wurde geschätzt, daß im Hochwasserjahr 1987 in den gesamten Alpen etwa 50% aller Gerinnenmurengänge von ehemaligen Permafrost- und Gletschergebieten ausgegangen sind.

Der Vergleich der derzeitigen Artenzusammensetzung der hochalpinen Vegetation auf Alpengipfeln mit historischen Aufzeichnungen zeigt sowohl eine Zunahme der Artenvielfalt als auch die Wanderung von Arten in höhere Regionen. Einige Arten weisen Migrationsraten bis zu 4 m pro Dekade auf.

Die Erklärung der sehr raschen Erwärmung des letzten Jahrhunderts setzt in erster Linie bei der Änderung der Zusammensetzung der Atmosphäre an: durch die steigende Konzentration an CO2 und anderen sogenannten Treibhausgasen (Methan, Lachgas, FCKWS, Ozon), d.h. an Gasen, welche die kurzweilige Strahlung der Sonne weitgehend ungehindert durchlassen, die längerwellige Ausstrahlung der Erde aber absorbieren (Treibhauseffekt), steht dem Klimasystem zunehmend mehr Energie zur Verfügung. Der bisherige quasi Gleichgewichtszustand zwischen eingestrahlter und abgestrahlter Energie ist daher gestört.

Wiewohl sich die Ergebnisse verschiedener Modelle zur Berechnung künftiger Klimaszenarien unterscheiden, sind allen doch gewisse Eigenschaften gemeinsam: Bei weiterer Zunahme der Treibhausgaskonzentrationen kommt es global gesehen im unteren Teil der Atmosphäre (Troposphäre) zu einer Erwärmung, die in der jeweiligen Winterhemisphäre und in Polnähe stärker ausfällt als im Sommer und in Äquatornähe. Sie ist in kontinentalen Gebieten am größten; die Meere erwärmen sich aufgrund ihrer hohen Wärmekapazität deutlich langsamer. Diese Erwärmung wird nach bisherigen Erkenntnissen das 21. Jahrhundert und darüber hinaus anhalten. Aufgrund der Erwärmung der Troposphäre kann diese mehr Wasserdampf aufnehmen, so dass der Wasserkreislauf ungeheizt wird. Zugleich wird es in manchen Bereichen schwüler, d.h. die Erwärmung wird für den Menschen schwerer erträglich. Obwohl die Simulation extremer Wetterereignisse besonders unsicher ist, deuten die Berechnungsergebnisse doch auf Zunahme der Niederschlagsintensitäten und damit vermehrte Überschwemmungen hin.

Die alpine Umwelt könnte durch globale Klimaänderungen besonders stark unter Druck geraten, einerseits weil Gebirgsregionen besonders empfindlich gegenüber Klimavariationen sind, wie z.B. die Schwankungen der Schnee- und der Baumgrenze im Maßstab von Jahrhunderten und Jahrzehnten zeigen, andererseits weil der alpine Raum im Einflußbereich von vier Klimaten - mediterran, atlantisch, kontinental und polar - liegt und eine globale Klimaänderung - z.B. eine Verlagerung des Westwindbandes - sich u.a. in der Verschiebung der relativen Bedeutung dieser vier Klimate äußern würde. Dies bedeutet, daß Änderungen im alpinen Raum überproportional ausfallen könnten. Es sind auch nicht nur quantitative Änderungen zu betrachten - z.B. der Niederschlagsmenge - sondern auch qualitative, wie ob der Niederschlag als Regen oder Schnee fällt. Schnee ist z.B. besonders wichtig für Ökologie und Ökonomie.

Die Ermittlung von Szenarien für den Alpinen Raum ist wegen der ausgeprägten Topographie besonders schwierig - und alle bisherigen Versuche können nur als erste Abschätzungen gesehen werden. So wurde z.B. für das Corvatsch-Furtschallas Gebiet in der Schweiz berechnet, daß in etwa 100 Jahren bei 3'C Erwärmung 70% des Parmafrostgebietes aufgetaut sein wird, und die Gletscher völlig verschwunden sein werden. Die Gleichgewichtslinie der Gletscher wird um 150 bis 350 m ansteigen und die Permafrostgrenze um 200 bis 750 m.

Vor allem in Tieflagen (Seehöhen unter 900 m) sind in Österreich unmittelbare Auswirkungen einer Klimaänderung in Form von erhöhter Baummortalität vor allem durch Reduktion der Niederschläge zu erwarten. Steigende Temperaturen im Ausmaß von etwa +1-2 °C verändern langfristig die Zusammensetzung der Wälder auch in höheren Lagen (Seehöhen über 1200 m).

Im Fall einer Erwärmung ist auch mit einer rascheren Entwicklung von Schädlingen zu rechnen, Krankheitserreger oder der Vektoren könnten in Gebiete vordringen, in welchen sie derzeit unbekannt sind.

Wirtschaftlich von besonderer Bedeutung für Österreich ist der Rückgang der Andauer der Schneedecke: bis in etwa 1500 m Höhe muß man bei Temperaturzunahmen um 1-2°C mit einem Rückgang um 20 - 40 Tage rechnen.

Anschrift der Verfasserin:

Helga Kromp-Kolb
Universität für Bodenkultur
Institut für Meteorologie and Physik
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